Reaktivität von isolierten Übergangsmetallclustern

Umsatzbegrenzend bei der heterogen katalysierten Funktionalisierung von gesättigten Kohlenwasserstoffen ist oft die anfängliche Adsorption bzw. Assoziation oder aber die kinetische Hemmung der anschließend erforderlichen C-H-Aktivierung. Gleiches gilt für die Aktivierung kleiner Moleküle wie N2. Wir benutzen Übergangsmetallcluster als Modellsysteme, an denen wir entsprechende Elementarreaktionen untersuchen.

Aus Laserverdampfung in Kombination mit gepulster Düsenstrahlexpansion generierte Cluster werden in eine kryogen gekühlte Ionenfalle transferiert und dort mit Substraten in der Gasphase und unter Einzelstoßbedingungen umgesetzt. Höchstauflösende Massenanalyse nach dem Fourier-Transform-Ionen-Cyclotron-Resonanz(FT-ICR)-Prinzip identifiziert Reaktanden und Produkte eindeutig und damit auch nach der Clustergröße und der Ladung, und zwar mit teilweise überraschenden Ergebnissen, die sich nicht vorhersagen lassen und auch heute noch für die ab initio theoretische Deutung eine Herausforderung darstellen. Als Modellsysteme werden bisher verschiedenste Übergangsmetalle verwendet.

Es zeigt sich, dass Aromaten über ihr delokalisiertes π-Elektronensystem koordinieren, Heteroaromaten über das freie Elektronenpaar am Heteroatom. Hochreaktive Übergangsmetallcluster-“Oberflächen” wie die des Niobs oder des Vanadiums sollten in jedem Fall zur anschließenden C-H-Aktivierung und anschließenden Dehydrierung in der Lage sein. Um so bemerkenswerter ist deshalb die gefundene nichtreaktive Stabilisierung einiger Komplexe wie z.B. Nb+/-(C6H6) oder Nb+/-(Naphtaline), die starke Hinweise auf eine hochsymmetrische Clustergeometrie liefern.

Durch Untersuchung der N2-Adsorbate unterscheiden wir „glatte“ von „rauhen“ Oberflächen und weisen Adsorbat-Aktivierungen nach. Kleine Adsorbate wie N2 und H2 sind zentral.

All diese bereits gefundenen Besonderheiten in einen systematischen Überblick zu größenselektierten Clustern der Übergangsmetalle einzufügen, durch weitere Messungen zu ergänzen und für die ab initio theoretisch unterstützte Interpretation vorzubereiten - das ist die Aufgabe der kommende Monate und Jahre.

Infrarotspektroskopie von Molekülclustern und isolierten Komplexen

Infrarotinduzierte Multiphotonendissoziation größenselektierter Clusterionen erlaubt es indirekt, die Absorptionsspektren dieser isolierten Ionen in geeigneten Massenspektrometern aufzuzeichnen. Die Kombination mit ab intio Rechnungen führt diese “Fingerabdrücke” mit den dazu gehörigen Strukturen zusammen und begründet dadurch eine strukturelle Analytik in der Gasphase, die ähnlich leistungsfähig sein kann wie die Röntgenstruktur- und NMR-Analyse in kondensierten Phasen. Wann und weshalb vibrationsmodenspezifische Abweichungen auftreten - dass haben wir in Zusammenarbeit mit der Arbeitsgruppe von Y.T. Lee an der Academia Sinica in Taiwan zeigen können. In der Vergengenheit haben wir bereits den abtastbaren Wellenlängenbereich im Roten bis hinab zu 600cm-1 erweitert: In einer strategischen Partnerschaft mit der Université de Paris-Sud in Orsay haben wir ein Experiment am dortigen Freien-Elektronen-Laser CLIO aufgebaut, und konnten zeigen, wie sich Nitril-Liganden innerhalb eines Metallkomplexes reduktiv C-C verknüpfen. Außerdem konnten wir Ergebnisse zum intramolekularen Protonentransfer in Dicarbonsäure-Kationen und -Anionen erhalten.

Komplementär untersuchen wir Koordinationsverbindungen als isolierte Ionen. Es gelang uns, eine Isomerisierung durch Liganden-Torsion in einem [AgL1L2]+ Komplex mittels doppelresonanter Zweifarben-Schwingungsanregung durch Kombination zweier Nanosekunden-OPO-Laser zu verfolgen. Diese Zweifarbentechnik setzen wir auch für den Nachweis „dunkler“ Schwingungsbanden in der IR-Spektroskopie ein.

Mit der von uns entwickelten Ionenspeicherzelle, die bei 20 Kelvin arbeitet, können wir gut aufgelöste IR-Spektren kalter Ionen erhalten. Diese liefern, gemeinsam mit kinetischen Untersuchungen, Erkenntnisse zur Struktur und Reaktivität isolierter Übergangsmetallcluster und -Komplexe. Das Kühlen der zu untersuchenden Spezies ermöglicht das Hinzufügen eines Sensors "tags" zur Anwengung von Methoden der Konsequenzspektroskopie.

Koordinierte Forschung zu zwei- und dreikernigen Übergangsmetallkomplexen

Gemeinsam mit den Kollegen des Fachbereichs Chemie, mit einigen Kollegen des Fachbereichs Physik, und mit weiteren Kollegen vom KIT in Karlsruhe betreiben wir einen Sonderforschungsbereich zur koordinierten Forschung auf dem Gebiet oligonuklearer Übergangsmetallkomplexe 3met.de.

Gezielt synthetisierte Komplexe sollen über die standardmäßige Charakterisierung hinaus auch mit optischen und massenspektrometrischen Methoden der Physikalischen Chemie und der Physik weiter untersucht werden, um ihre elektronische Struktur und ihre Spindynamik aufzuklären. Diese Ergebnisse werden wichtige Ausgangspunkte für eine begleitende ab initio theoretische Modellierung liefern. Solche grundlegenden Arbeiten mit diesen anspruchsvollen Stoffklassen werden mittelfristig neue Möglichkeiten in den Bereichen katalytischer, magnetischer und optischer Anwendungen eröffnen.

Im Rahmen unserer 3MET Forschung sind wir u.a. auf ungewöhnliche Multiplett-Kopplungen jenseits des Offensichtlichen gestoßen. Die  FeCl2 Eliminierung aus einem heteronuklearen PdCl2-FeCp Komplex erfordert eine Ballett-ähnliche, konzertierte Chlorido-Cp Transmetallierung via einer direkten Singulett-Quintett-Kopplung, und zwar scheinbar ohne Triplett-Beteiligung, (Abb. 3, Ref. [5]). Ähnliche Fälle sind uns bisher nicht bekannt.

Im Rahmen unserer 3MET Forschung sind wir u.a. auf ungewöhnliche Multiplett-Kopplungen jenseits des Offensichtlichen gestoßen. Die  FeCl2 Eliminierung aus einem heteronuklearen PdCl2-FeCp Komplex erfordert eine Ballett-ähnliche, konzertierte Chlorido-Cp Transmetallierung via einer direkten Singulett-Quintett-Kopplung, und zwar scheinbar ohne Triplett-Beteiligung.

Multi state mediated rearrangements and FeCl2 elimination in dinuclear FePd complexes, M. Gaffga, I. Munstein, P. Müller, J. Lang, W. R. Thiel and G. Niedner-Schatteburg, J. Phys. Chem. (2015), 119, 12587−12598. 10.1021/acs.jpca.5b06952

Ähnlich ungewöhnlich sind nicht-klassische N2 Komplexe des oxo-zentrierten Fe3O(OAc)6. Freie Koordinationsplätze können von N2 eingenommen werden, das nach klassischen Vorstellungen dadurch rotverschobene Schwingungsübergänge zeigen sollte. Beobachtet wird stattdessen eine Blauverschiebung, die wir als eine lokale N – O Repulsion an den vier N2-Acetat Kontakten gedeutet haben.

Vibrational Blue Shift of coordinated N2 in [Fe3O(OAc)6(N2)n]+: “Non Classical” Dinitrogen Complexes
J. Lang, J. Mohrbach, S. Dillinger, J. M. Hewer and G. Niedner-Schatteburg, Chem. Comm. (2016), 53, 420 - 423. 10.1039/C6CC07481B

Spin- und Bahn-Momente von isolierten Übergangsmetallclustern und Komplexen

Mit unserer tiefkalten Ionenfallen-Technologie haben wir es geschafft, den aus der Festkörper bekannten XMCD Effekt (Röntgen-induzierter Circular-Dichroismus) erstmals auch für isolierte Cluster und Komplexe einzusetzen. Mittels polarisierter Röntgenstrahlung (BESSY-Synchrotron, Berlin) konnten wir daraus die Spin- und Bahndrehimpuls-Beiträge zu den magnetischen Momenten von Fe, Co, und Ni Clustern bestimmen. Diese Werte werden dringend benötigt, um mit entsprechenden Werten von auf Oberflächen deponierten Clustern einerseits verglichen zu werden, und um andererseits als Vergleichswerte für die theoretische Modellierung der elektronischen Struktur offenschaliger Systeme zu dienen.

Wir haben dieses Messprinzip auch auf homo- und heteronukleare Komplexe aus 3d, 4f Metallen angewandt; auch auf den archetypischen Einzelmolekülmagneten Mn12-Acetat.

Als Koordinatoren des GAMBIT-Projektes bauen wir an der Swiss-Light-Source (SLS) des Paul-Scherrer-Instituts ein weiteres FT-ICR-Spektrometer auf, das an eine “beamline” für polarisiertes Röntgenlicht gekoppelt wird.

(Bio-)Analytik mit hochauflösender Massenspektrometrie

Die vorhandene massenspektrometrische Ausstattung (Elektrospray mit FT-ICR, MALDI mit Tandem-TOF) benutzen wir regelmäßig auch für analytische Untersuchungen. Dadurch konnten wir u.a. eine Entscheidung über die strittige Sequenz eines Pflanzenproteins (Gelonin) herbeiführen. Um in Zukunft noch größere nicht-kovalent spezifisch gebundene Komplexe weitgehend fragmentationsfrei darstellen zu können, haben wir eine innovative Tröpfchenwerfer-Ionen-Quelle nach dem LILBID-Prinzip aufgebaut (Koop. Prof. B. Brutschy, Frankfurt). Resonante Absorption eines Nanosekunden-Infrarotlasers läßt die Töpfchen explodieren und setzt die zuvor solvatisierten Makromoleküle “sanft” frei, ohne sie zu zerstören. In Kürze werden damit die ersten hochauflösenden Massenspektren gewonnen werden.